Mittwoch, 1. Juli 2015

Me Made Mittwoch: Ode to Rothko


Beim Humana Secondhand-Laden hier in Leipzig wurde vor Kurzem umgebaut und es gab einen großen Ausverkauf. Ich hatte zu dem Zeitpunkt gerade frisch mein Stoffregal aufgeräumt, in dem ich auch die alten Sachen aufbewahre, die ich umarbeiten möchte. Da habe ich mir gedacht, dass das wirklich viel zu viel ist, was ich da horte. Vorgenommen: Erst neuen alten Krempel, wenn ich ein bisschen was abgearbeitet habe. 

Dann bin ich kurze Zeit später 3 Tage lang jeden Tag zweimal an dem riesigen Sale-Schild bei Humana vorbeiradelt. Und dann bin ich reingegangen - "Nur mal gucken." Wie man es so kennt. Wie sowas ausgeht, weiß man auch. 

Ich habe ein altes Hemdblusenkleid in Größe 46 gefunden, komplett mit Schulterpolstern, Knopfleiste, pipapo. Und ich war verliebt in den weichen Stoff und die Farbe. Ich habe in den letzten Monaten eine Vorliebe entwickelt für schöne Rottöne. Gern mag ich auch die Kunst von Mark Rothko, der oft mit eben jenen vibrierenden, leidenschaftlichen Rottönen spielt:
Quelle
Also: Ich liebe rot und trage es gern, weil ich finde, dass es mir steht. Deshalb landete das Kleid für 6 Euro in meinem Beutel. Ich gebe eigentlich nur ungern mehr als 5 Euro aus für Refashion-Projekte, da die Möglichkeit, dass nichts tragbares dabei herauskommt, immer besteht.
Nur entscheiden konnte ich mich nicht, was damit dann passieren sollte. Einfache Oberteil + eingereihter Rock-Kombination? Rock? Bluse? So hing das Kleid auf der Puppe, die ich von jedem Teil meiner winzigen Wohnung aus sehe. Und hing da. Und wurde von mir kritisch beäugt.


Schließlich die Epiphanie: Ein schönes, fließendes Trägerkleid mit Tunnelzug-Taille, das mir auch gleich Reißverschluss-Terror erspart. Auf einmal konnte ich kaum an etwas anderes denken. Pünktlich zum reichlich verspäteten Sommer wurde es dann fertig. Und ich bin verliebt. Fühle mich wie eine griechische Göttin. Im Palmengarten hier in Leipzig haben wir Fotos gemacht.


Ok, mal sehen, ob ich mich erinnern kann, was ich am Kleid alles gemacht habe: zuerst habe ich ein Kauf-Trägertop, das gut sitzt einfach über das Kleid gestülpt, das auf der Puppe hing. Dann habe ich mit Schneiderkreide die Ausschnittlinie des Tops auf dem Kleid nachgezeichnet.
Schließlich habe ich die Knopfleiste einfach herausgeschnitten; die Knöpfe verwende ich bestimmt nochmal. 



 

Dann habe ich entlang der Kreidelinie mit der Schneiderschere das Oberteil mitsamt Ärmeln abgeschnitten. Anschließend habe ein bisschen Weite aus den Ärmellöchern genommen, weil das Kleid dort relativ tief herunterhing und man den BH gesehen hätte. 






Die dann so entstandene Oberteilkante habe ich auf ein übrig gebliebenes Stück rotes Futter gesteckt und mir so ein ca. 15 cm langes Teil zum verstürzen geschaffen. Von der Unterkante des Kleides, das ja im ursprünglichen Zustand fast bodenlang war, habe ich dann Träger, Tunnelzug und Taillenbindeband ausgeschnitten. Unheimlich froh war ich an diesem Punkt, dass ich vor einer Weile mal so einen Schrägbandformer von Prym gekauft habe, der hat mir das ganzen Bändchennähen sehr erleichtert. 
Die Träger habe ich dann also zwischen Kleid und Futter gesandwicht und das Futter festgenäht, um es sodann zu verstürzen und die Kante schmalkantig abzusteppen, damit das Futter bleibt, wo es hingehört.
In der Maison Victor gab es eine gute bebilderte Anleitung, wie man einen Tunnelzug näht, daran habe ich mich gehalten, weil ich das ja auch vorher noch nie gemacht habe; ist aber piepeinfach.


Puh, keine Ahnung, ob die Schilderung des Entstehungsprozesses gerade für andere Sinn ergibt. Was ich damit aber auch sagen möchte: Traut euch einfach ran! Auch ohne Schnittmuster gelingt vieles, wenn man eine ungefähre Ahnung davon hat, wie Nähen funktioniert. Das Aufarbeiten alter Stücke macht unheimlich viel Freude, befriedigt ungemein und meistens spart man im Vergleich zum Stoffkauf Geld. Zeit oft leider nicht, auch wenn man das denken würde.

Das rote Kleid wird Teil meiner neuen Sommeruniform. Ich fühle mich unheimlich wohl in ihm und bekomme Lust auf Festivals und Märkte und Abende am See. Wer weiß, vielleicht besuche ich auch mal eine Rothko-Ausstellung in diesem Kleid - das wäre schön.


Die restliche Me-Made-Mittwoch-Kompanie gibt es hier zu bestaunen.